Fritz Pölking

Kofferklau in Nairobi

Wenn man von Naturfotografen hört, denen Objektive oder Kameras auf der Reise gestohlen wurden, dann passierte das ‚fast‘ immer in Nairobi, bei der Ankunft, aber auch beim Abflug.

Nun bin ich im letzten Jahrzehnt wohl 30-40 mal in Nairobi gelandet, und natürlich auch 30-40 mal von dort wieder abgeflogen.

Vor zehn Jahren, als es die netten modernen Röntgengeräte noch nicht gab, die jeden Film vernichten können, habe ich meine Filme immer auf dem Hinweg im Koffer transportiert.

Am Anfang hatte ich 50 Filme in einen Koffer gesteckt, und die restlichen hundert ins Handgepäck genommen. Die Filme waren nach der Entwicklung später  alle in Ordnung. Da ich immer nur die gleiche Strecke flog – Frankfurt-Nairobi-Frankfurt – und diese Röntgengeräte anscheinend sicher waren, habe ich dann aus Bequemlichkeit angefangen, auf dem Hinflug die unbelichteten Filme alle in einen meiner beiden Koffer zu packen, und nur auf dem Rückflug die belichteten als lästiges Handepäck geschleppt.

Dabei fiel mir auf, das ich immer bei der Ankunft in Nairobi beim Zoll den Koffer öffnen musste, der die Filme enthielt – nie den anderen.

Die ersten 3-4 mal hielt ich das für einen Zufall, nach dem 6 – 8 mal allerdings nicht mehr.

Da ich inzwischen die Leute auf dem Flughafen etwas besser kannte, habe ich mich mal mit denen privat unterhalten, und dabei kam folgende Geschichte heraus:

Auf dem Flughafen von Nairobi werden (in den hinteren Räumen) alle ankommenden Koffer geröngt –auch schon vor 10 -12 Jahren - bevor sie auf das Gepäckförderband kommen. Darum dauerte auch schon immer die Gepäckzustellung in Nairobi länger als auf anderen Flughäfen.

Der Grund war und ist, das Kenia praktisch auf alles exorbitante Einfuhrzölle erhebt, und der Zoll daher alle Koffer in den hinteren Räumen durchleuchtet, bevor sie auf das Gepäckband für die Fluggäste kommen. Wenn man dann da etwas sieht, was nach zu verzollender Ware ausschaut  (praktisch alle elektrischen Geräte, vom Radio angefangen), dann macht man an der Seite des Koffers mit weißer Kreide ein kleines Kreuz, und dann lässt sich ein Zöllner später, wenn der Fluggast mit seinem Gepäck gehen will, diesen Koffer öffnen.

Wenn ich jetzt also mit hundertprozentiger Sicherheit den Koffer öffnen musste, der die Filme enthielt, dann begann immer ein lustiges Spiel:

Der Zöllner sagte dann mit todernster Miene, dass ich die Filme in Kenya verkaufen wollte, und daher Zoll zahlen müsste. Wir wussten natürlich beide, dass man unbeschränkt Filme für den Eigenbedarf einführen kann, aber er bestand erst mal darauf, dass niemand 150 Filme braucht und daher wäre Zoll fällig. Wenn ich nicht zahlen wollte, dann müsste ich eben mit meinem Gepäck mit nach hinten kommen zum Chef der Zollbehörde. Das würde aber sicher 1-2 Stunden dauern.

Das war der Trick. Also legte man einen 10 Dollarschein in den Reisepass und die Filme sind plötzlich  Eigenbedarf – völlig klar. Ich habe das immer als privaten Einfuhrzoll betrachtet. Denn wer will schon gerne nach dem langen Flug noch Stunden dauernde, langwierige Diskussionen mit dem Zoll führen.

Danach versuchte ich dann immer – wenn ich die Koffer vom Band nahm – das weiße Kreidekreuz an der Seite vollständig abzuwischen bevor ich zum Zoll ging. Das war aber nicht so einfach, weil immer einige Zöllner in Zivil am Gepäckband stehen und – natürlich ganz unauffällig – die Reisenden beobachten, ob sie versuchen die Kreidemarkierung zu entfernen, weil natürlich die häufig einreisenden Kenyaner dieses Spiel besser kennen als selten ankommende Europäer.

Bei der Einreise nach Kenia verschwinden nun aus dem Koffer seltener Kameras und Objektive als bei der Ausreise und zwar aus folgendem Grund:

Wenn der Dieb auf dem Röntgenbild eine Kamera oder ein Objektiv entdeckt und dann den Koffer an der Seite aufschlitzt und sich durch diesem Schlitz das Objektiv schnappt, dann ist der Koffer ja spätestens zehn Minuten später beim Besitzer und der merkt das und wird dies sofort den Zöllnern und Polizisten im Terminal melden. Der Dieb hat also nur zehn Minuten um die Beute verschwinden zu lassen. Das ist knapp..

Wenn die Geräte aber beim Abflug gestohlen werden, dann merkt dies der Naturfotograf erst zehn Stunden später in Amsterdam, Frankfurt, Zürich, Paris, Rom, London oder Madrid. Wenn er umsteigt, merkt er es vielleicht sogar erst 24 Stunden später in New York oder Denver.

Und dann passiert überhaupt nichts. Der Dieb in Nairobi ist längst mit seiner Beute zuhause oder beim Weiterverkäufer, und das Bodenpersonal in Europa oder USA zuckt mit den Schultern, nimmt ein Formblatt das man ausfüllen darf und damit ist die Sache erledigt. Es ist also wesentlich sicherer und nervenschonender für die Diebe, Fotogeräte aus Koffern von abfliegenden Passagieren zu stehlen, als von den eben angekommenden Fotografen.

Dazu kommt noch, das die Fotografen oft auf dem Hinweg ihre Geräte aus Sicherheitsgründen als Handgepäck mitnehmen (wer will schon ohne Kamera und Tele ankommen), aber nach den drei bis vier Wochen in Afrika, wo nichts passiert ist, will man es sich für den Rückflug etwas bequemer machen, und gibt einen Teil der Ausrüstung in den Koffer, und sichert so die Existenzgrundlage der Diebe..

Wenn es also einen guten Rat gibt: Niemals Fotogeräte aufgeben, erstens werden sie unglaublich miserabel behandelt (siehe den Artikel weiter unten 'Was KLM mit unseren Koffern so alles treibt') und zweitens können sie leicht gestohlen werden, wobei man auf dem Internationalen Flughafen von Nairobi besonders gute Chancen hat,  weil die Diebe dort per Röntgengerät nachsehen können, bei welchem Koffer es sich lohnt, diesen aufzuschlitzen oder aufzubrechen.

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