Fritz Pölking

Sollte der Naturschutz in Deutschland sein 
Adler-Schutzprogramm erweitern?

An der Westküste Floridas gibt es eine kleine bewohnte Insel mit Namen Sanibel Island, auf der etwa 120 Paare Fischadler horsten. Die Insel ist vielleicht etwas größer als Helgoland.

Manchmal liegen die Horste nur 20-30 m nebeneinander, und ich habe oft das Gefühl von beginnender Koloniebildung dort, denn es gibt Platz genug und kein Grund so nahe beieinander zu horsten.

Vielleicht ist das Revierverhalten an Land nicht so ausgeprägt, weil ja die Nahrung aus dem Wasser kommt, und so lange es da für jeden Fisch im Überfluss gibt, ist kein Grund für Konkurrenzverhalten vorhanden.

Die Fischadler dort sind sehr vertraut, kümmern sich kaum um Menschen und man hört eigentlich nie einen Warnruf, wenn man ihrem Horst nahe kommt.

Manche Adler nisten in 2 Meter Höhe auf den Bootsanlegern oder 5 Meter hoch neben einem Wohnhaus auf einem Baum. Wenn der Besitzer dann mit einem lauten Benzinmotor-Rasenmäher direkt unter dem vielleicht 5-6 Meter hohen Horstbaum den Rasen schneidet, gibt es keine Reaktion vom Adler.

Im Januar 2002 hatte ich allerdings ein Erlebnis, das mir wirklich 'fast die Socken ausgezogen hat':

Ich fuhr mit meinem Wagen von der Insel über die Brücke zum Festland, die allerdings eigentlich aus drei Brücken besteht mit Strandabschnitten dazwischen und vielleicht zusammen 1.5 km lang ist.

Plötzlich sah ich links auf dem Brückengeländer einen Fischadler mit frischgefangener Beute sitzen, der ungerührt alle Autos in 2 Meter Entfernung an sich vorbeifahren ließ.

Das wollte ich natürlich fotografieren. Dazu mußte ich aber erst diese Brücke zuende fahren, dann auf dem Strandstreifen wenden, die Brücke wieder zurückfahren - am Adler vorbei - um dann auf der Insel wieder zu wenden und - jetzt mit schußbereiter Kamera - zum dritten Mal über die Brücke zu fahren, um den Adler mit den ganz nahe an ihm vorbeifahrenden Autos zu fotografieren.

Auf dem Weg zum Adler auf der Brücke kam mir nun ein Fahrradfahrer entgegen, der in zwei Meter Entfernung an dem Adler vorbeigefahren sein mußte. Damit war eigentlich mein schöner Plan zunichte gemacht. Denn dass ein Fischadler ungerührt 100 Autos an sich vorbeifahren läßt war schon ungewöhnlich genug, vor allem, da kein wirklicher Grund dafür bestand. Wenn er sich auch nur im geringsten durch die Fahrzeuge tangiert gefühlt hätte, hätte er sich mit seiner Beute ja einen anderen Platz aussuchen können. Möglichkeiten gab es mehr als genug.

Aber einen Radfahrer auf 2 Meter Entfernung grundlos auszuhalten, daran glaubte ich nie und nimmer.

Aber: als ich auf der Brücke ankam wo der Adler - nach meiner Ansicht gesessen hatte, bevor der Radfahrer kam - saß er immer noch da und fraß seelenruhig an seinem Fisch......

Frage: Warum scheren sich die Fischadler in Florida einen Teufel um Menschen in ihrer Nähe, und in Deutschland etwa muß man an der Müritz in 2 km Entfernung vom Horst Sichtblenden aus Holz anbringen, hinter denen versteckt die Menschen die Fischadler beobachten dürfen, weil sonst die Fischadler vor Schrecken tot vom Horst fallen, wenn sie einen Menschen aus der Nähe zu Gesicht bekommen?

Meiner unwissenschaftlichen Theorie nach liegt das an der Selektion in den vergangenen Jahrhunderten.

Wir haben heute vielleicht 150-300 Fischadlerbrutpaare in Deutschland. Vor 100-200 Jahren hatten wir sicher 1.500 - 3.000, oder gar 15.000 - 30.000 Paare.

Sie sind zu 99 % von Jägern, Anglern und Fischern ausgerottet worden. Es gibt keinen anderen Grund für ihren Rückgang, denn überall wo es Fische gibt, können sie theoretisch gesehen sehr gut leben (siehe Florida).

Wenn nun 99 % aller Fischadler getötet werden, welche erwischen die Jäger wohl? Die zutraulichen, die freundlichen, die harmlosen, diejenigen, welche Menschen für keine Gefahr halten, die Menschen nahe kommen lassen und - 'peng', sind sie tot.

Nur die hysterischen, die von Verfolgungswahn geprägten, die ängstlichen, diejenigen, die beim leisesten Geräusch abfliegenden, diejenigen, die bei der geringsten Veränderung abhauen, die sich in die unwirklichsten Gegenden weitab vom Menschen zurückziehen, die hatten eine Chance, nicht totgeschossen zu werden.

Und deshalb haben wir durch diese negative Selektion heute nur noch Fischadler in Deutschland, die sofort in Panik verfallen, wenn sie nur einen Menschen ahnen.

Das ist nicht gut für die Fischadler, die Menschen und auch nicht für den Naturschutz.

Nun glaube ich aber, das bei den Nachkommen und durch Zuzug aus Osteuropa immer mal Fischadler dazwischen sind, die 'normale' Erbanlagen haben und auch in der Nähe von Menschen horsten würden.

Daher mein Vorschlag, künstliche Nistplattformen - wie in Florida - überall zu hunderten in der Nähe von kleiner Orten, Wegen und Deichen aufzustellen, denn die sind bei Fischadlern überaus populär und werden lieber genommen, als auf einem problematischen Baum zu horsten.

Über kurz oder lang werden sicher einige davon von Fischadlern angenommen, und deren Nachwuchs wird wiederum die Nähe befahrener Wege, Deiche und Siedlungen für selbstverständlich halten.

Denn das sieht man immer wieder bei vielen Tierarten: nur die erste Generation ist das Problem. Wenn Geparde in Afrika oder Eulen etwa im Audubon Croksrew Swamp Wildlife  Reservat bei Naples in Florida erst mal an Menschen gewöhnt sind - und ab der zweiten Generation ist das eine Selbstverständlichkeit - gibt es kaum noch Probleme.

Mit solchen künstlichen Nistplattformen könnte man den Fischadler etwa wieder über ganz Deutschland dorthin ausbreiten, wo er nach Fischvorkommen auch hingehört.

Etwa am Dümmer See in Niedersachsen als Beispiel wäre sicher Platz für mindestens 10 Brutpaare.

Und wenn diese Horste dann in Hafen- und Deichnähe stünden, und die Menschen könnten die Adler beim Beutestoß und beim Anflug an den Horst beobachten - vielleicht sogar von einer Kanzel in der Nähe in den Horst sehen - dann wäre dies fantastisch für die ungestörte Zukunft der Fischadler, der Menschen die Naturerlebnisse suchen und natürlich auch für den Naturschutz, der durch solche Erlebnisvermittlung viele Freunde, Anhänger und Spender gewinnen würde - und offenere Ohren in der Politik.

Finanziert werden sollte dies meiner Ansicht nach durch die ja zu weiten Teilen recht wohlhabenden Jäger über deren Jagdschutzverbände.

Denn deren Vorfahren haben ja den Fischadler - fast - flächendeckend in Deutschland ausgerottet und dies wäre eine wunderschöne Gelegenheit, die Sünden der Väter wieder gutzumachen und auch das eigene Renomee der Jäger und Fischer in Deutschland entscheidend zu verbessern.

Weitere Bilder sind zu sehen bei 'Portfolios - Fischadler'.

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