Fritz Pölking

Erster Härtetest

Das fängt ja gut an: Ein erster Blick in die Bedienungsanleitung der digitalen SLR zeigt den Satz: 'Der Temperaturbereich reicht von 0 Grad Celsius bis 40 Grad Celsius plus.

Der Hinweis zur Compact-Flash-Karte sagt: Operating Temperature: 0 Grad Celsius bis 60 Grad Celsius plus.
Aufbewahrungstemperatur: Von 10 Grad Celsius minus bis 80 Grad Celsius plus.

Bei den Kameras sind die 0 Grad nach Aussagen von Fachleuten der momentane Stand der Technik, an dem sich auch vorläufig nichts ändern wird..

Da war ja der geplante Ausflug im Januar 2004 in den winterlichen Nationalpark Bayerischer Wald genau richtig als ein erster kleiner Test, wie ernst man diese Hinweise nehmen muss.  

Auf der Fahrt am Morgen vom Hotel zum Nationalpark zeigte das Autothermometer als Außentemperatur minus 11,5 Grad Celsius an... Das konnte ja heiter werden.

Am Luchsgehege im Nationalpark waren es dann eine Stunde später aber 'nur' noch 8 Grad minus und Kamera und Karte machten keine Probleme. Also erst einmal leichte Entwarnung. Wie sich später zeigte, waren nach einer Stunde bei minus 8 Grad draußen, im Fotorucksack immer noch 10 Grad Celsius plus.

Wenn es also sehr kalt ist, sollte man die Kamera immer nur für die Fotos herausnehmen, und dann schnell wieder im Fotorucksack verschwinden lassen.

Als Test stellte ich am nächsten Tag bei minus 5 Grad Celsius die Kamera bei den Wölfen für 4 Stunden auf das Stativ, damit sie richtig auskühlen konnte und die wirkliche Außentemperatur annahm. Sie arbeitete auch dann noch einwandfrei.

Es sieht also so aus, als wenn man doch (oft) bis mindestens minus 10 Grad Celsius mit einer digitalen Kamera arbeiten kann.

Die LCD-Anzeigen dieser Kameras sollen bei minus 10 - 20 Grad Celsius 'verschwinden' und wiederkommen, wenn es wärmer wird.

Auf jeden Fall ist die untere Grenze des von den Herstellern digitaler Kameras garantierten Arbeitsbereiches 0 Grad Celsius.

Die Informationen aus der Praxis sind zur Zeit noch etwas widersprüchlich: 
Einige Naturfotografen hatten im winterlichen Bosco del Apache in Neu-Mexiko bei Temperaturen zwischen 5-10 Grad Celsius minus erhebliche Schwierigkeiten, wogegen andere im eiskalten Kanada (im März in Churchill) munter und problemlos ganz junge Eisbären vor der Höhle fotografierten.

Man muss also abwarten, was die Erfahrungen der nächsten Jahre an weiteren Erkenntnissen bringen. 
Bei den Karten kann man auf jeden Fall jetzt schon Entwarnung geben: SanDisk bietet inzwischen Karten unter der Zusatzbezeichnung 'Extreme' an, die bis 25 Grad Celsius minus arbeiten sollen.  

Ein Tipp noch: 
Digitale Kameras sind empfindlicher gegen Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit. Sie nehmen es sehr schnell übel, wenn sie aus der Kälte in warme Räume kommen und beschlagen.

Daher habe ich im Fotorucksack im Winter unter dem digitalen Gehäuse immer eine große Plastiktüte liegen, in die ich das Gehäuse einpacke, bevor ich aus der Kälte kommend einen warmen Raum betrete. Jetzt bilden sich die Wassertropfen an der Außenhaut der Plastiktüte, und nicht auf der Kamera.  

Um feststellen zu können, wie kalt es draußen bei den Wölfen, Luchsen und Bären im Nationalpark wirklich war, hatte ich ein relativ großes Thermometer mitgenommen, das ich dann immer dort jeweils an einem Baum befestigte.  

Andere Besucher fragten mich dann manchmal, wozu ich denn um Gottes Willen zum Fotografieren der Tiere im Wald ein Thermometer mitbringen würde.

Ich erzählte dann abwechselnd zwei Versionen:

1. Ich bin professioneller Naturfotograf und in der Gewerkschaft Verdi organisiert, und sobald die Temperaturen unter minus 10 Grad Celsius sinken, bekommen wir doppeltes Honorar, etwa so, wie die Maurer 'Schlechtwettergeld' bekommen ab einer bestimmten Regenmenge.

2. Wir beruflichen Naturfotografen sind in der Gewerkschaft Verdi organisiert und dürfen nur bis minus 10 Grad Celsius arbeiten, sonst erlischt unser Versicherungsschutz, weil es dann zu gefährlich wird.

Manchmal erntete ich etwas zweifelnde Blicke, aber meistens wurden mir diese Short-Storys abgekauft.

Wolf im NP Bayerischer Wald (Gehege)
Canon EOS-300 D, 6.3 Millionen Pixel Kamera, 1,6x Verlängerungsfaktor,
ISO 100, RAW file, 4,5-5,6/100-400 mm, Stativ.

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