KD.Haak@t-online.de
28. November 2000

Sehr geehrter Herr Poelking,
 zunaechst darf ich Ihnen zu Ihrer hervorragend gestalteten Homepage  gratulieren.
 Sie ist sehr informativ und vielseitig.
Aus besonderem Anlass  interessieren mich Ihre Motive, die Sie zu dem Systemwechsel von Nikon nach  Canon bewegt haben. Aufgrund Ihrer zahlreichen Publikationen (und auch von  Luenen her) habe ich Sie bislang als ueberzeugten Nikon-Fan kennengelernt.
 Auch ich bin langjaehriger Nikon-Fotograf; hatte mich aber in letzter Zeit  ueber Nikon geaergert, weil Canon offenbar - zumindest im Bereich der  Teleobjektive - innovativer ist. So ist für mich nicht nachvollziehbar,  warum Nikon ein 80-400 zwar mit Bildstabilisator, aber ohne superschnellen  Autofokus herausbringt.
 Dafuer kuendigen sie jetzt ein 300er mit  superschnellem Autofocus ohne Bildstabilisator an. Das ist für mich nicht  nachvollziehbar.
Koennen oder wollen die von Nikon nicht?  Ich stehe jetzt vor dem Problem, mir eine neue Fotoausruestung zulegen zu > muessen, da man mir bei einem Einbruch fast die gesamte Nikon-Ausruestung geklaut hat. Nur das MF 500/4.0 hat man (bedauerlicherweise?)  liegengelassen. War wohl zu unhandlich zum mitnehmen.
Ich schwanke staendig  von einer Sekunde zur anderen, ob ich wieder Nikon kaufe oder zu Canon  wechsel soll. Klaus Finn (GDT), ebenfalls langjaehriger Nikon-Fotograf, probiert  zur Zeit die EOS 3 mit dem 100-400 aus und ist recht zufrieden damit.  Im Bereich der Teleobjektive bin ich von Canon ueberzeugt (auch im Hinblick  der Kompatibilitaet der Telekonverter), aber die Objektive unterhalb dieser  Ebene bereiten mir Bauchschmerzen.
Die Testergebnisse insesondere der  Zoom-Objektive sind nicht sehr ueberzeugend. Canon hat z.B. dem 70-180  Makro-Zoom von Nikon nichts entgegenzusetzen. Da ich neben der  Vogelfotografie auch viel Landschafts- und Makroaufnahmen mache, bin ich  nicht sicher, ob ich mit Canon wirklich besser bedient bin.  Auf Ihrer Leitseite haben Sie Ihre neue Canon-Ausruestung vorgestellt. Danach  muessten Sie die Makrofotografie aufgegeben haben. Oder greifen Sie dann auf  die Nikon-Ausruestung Ihrer Ehefrau zurueck?
 Das 100-400mm Canon-Objektiv wird einige Seiten weiter in dem Beitrag von  Winfried Wisniewski "Was wir brauchen, wovon wir traeumen" auch nicht gerade  berauschend bezeichnet ("fuer Amateure vielleicht ganz nett ..."). Dieses  Objektiv ist in einem Vergleichstest vor kurzem in Naturfoto auch nicht gut  weggekommen. Nur 4 von maximal 8 Punkten fuer die Optik. Auch ein  Canon-Gehaeuse ist vor kurzem in einem Beitrag von ? in 'Naturfoto' (ich kann  im Moment nicht nachschauen, wer den Beitrag geschrieben hat) etwas kritisch  hinsichtlich der Belichtungsmessung und der Robustheit beschrieben worden.
 Andererseits kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie als Perfektionist sich  eine Ausruestung zulegen, die nicht Ihren bekanntermassen extremen  Gueteanforderungen entspricht.  Ich wuerde mich sehr freuen (und wahrscheinlich etliche andere  Naturfotografen auch) wenn ich baldmoeglich in 'Naturfoto' oder auf Ihrer  Webseite etwas ueber die Gruende des Systemwechsels zu Canon nachlesen  koennte und insbesondere welche (von Ihnen bereits getesteten!) Objektive  Sie von Canon fuer den gesamten Bereich der Naturfotografie empfehlen.
 Meine Unsicherheit hinsichtlich eines evtl. Systemwechsels zu Canon beruht  auch darauf, dass ich mich bislang nicht mit Canon befasst habe.
Das ganze  System ist mir nicht vertraut. Ich muss mich da erst einlesen.  
Fuer Ihre weitere Arbeit wuensche ich Ihnen viel Erfolg.
Mit herzlichen Gruessen Klaus Haak

 

Sehr geehrter Herr Haak,
 
vielen Dank für Ihre freundlichen Zeilen. So ein Entschluß kommt natürlich nicht über Nacht, sondern reift langsam.
Ich will versuchen, Ihnen meine Beweggründe für den Wechsel von Nikon zu Canon darzulegen.
Es begann eigentlich mit dem an sich fantastischen 4.5-5.6/70-18o mm Makrozoom.
Im Frühjahr fotografierte ich damit schlüpfende Libellen bei Tagesanbruch, und es war mir mit der F5 nicht möglich, mit diesem relativ lichtschwachen Objektiv auf der Mattscheibe der F5 scharf einzustellen. Es war alles so dunkel und grau/flau, das ich nicht erkennen konnte, ob die Hauptschärfe auf dem Kopf oder den Flügeln der Libelle lag.

Man kann zwar von Beattie Interscreen eine Scheibe für die F5 bekommen, die etwa eine Blende heller ist, aber dann verliert man die 5 AF-Felder der Original-Nikonscheibe, was auch nicht so lustig ist, wenn man dann raten soll, wo das jeweilige AF-Feld mißt.


 Wenn ich die F5 durch die F-100 ersetzte war plötzlich alles ganz einfach zu sehen und zu erkennen, weil diese Nikon-Kamera ein sehr helles und brillantes Sucherbild hat.
Aber sie hat leider keine Spiegelvorauslösung, bekommt auch keine laut Auskunft von Nikon, und wenn Sie mit Zeiten zwischen 1/30 sek. und 1/8 sek. vom Stativ aus Hochformataufnahmen mit Brennweiten in diesem Bereich oder länger machen, ohne Spiegelvorauslösung oder ohne Stabilisator, dann können Sie sicher sein, daß Sie die Dias nachher wegschmeißen müssen, weil sie einfach nicht scharf werden.
Der Verreißfaktor des Spiegelschlages ist einfach zu groß.
Man könnte natürlich einen Sandsack mitnehmen und ein riesiges Sachtlerstativ mit einem 3 kg Kinoneiger, um die fehlende Spiegelvorauslösung auszugleichen, aber wer will das schon.
Da fing ich an über einen Wechsel nachzudenken, denn bei Canon bekommt man fast alle SLR-Modelle mit Spiegelvorauslösung, wogegen bei Nikon ja nur die F5 eine hat.
 Wobei es selbst da noch einen großen Unterschied gibt. Die Spiegelvorauslösung der Nikon F5 arbeitet nur mit dem manuellen Belichtungsprogramm, und mechanisch. Das heißt: man muß den Spiegel immer mit der Hand hochdrücken. Bei den Canon SLR-Kameras arbeitet die Spiegelvorauslösung über ein Softwareprogramm, und man kann sie daher auch mit der Zeitautomatik, Blendenautomatik und Programmautomatik einsetzen.
 Muß also bei wechselnden Lichtverhältnissen nicht immer kontrollieren und nachkorrigieren.
Der zweite Grund über einen Wechsel nachzudenken war im Sommer 2000 dann eine Aufnahme eines quakenden Frosches. Er saß immer so drei Meter vom Ufer entfernt im Wasser. Daher benutzte ich die F-100 mit dem 500er und einem Zwischenring. Alle Bilder nachher waren leicht verrissen. Trotz Stativ und allen möglichen Hilfestellungen und auch trotzdem es nur Querformatbilder waren.
Im Hochformat wären die Bilder noch dreimal so unscharf geworden. Mit einem Stabilisator im 500er oder einer Spiegelvorauslösung in der F-100 wären die Ergebnisse sicher brauchbar geworden. Aber mit beidem ist vorläufig bei Nikon wohl nicht zu rechnen.


Die ersten Daten über das neue Nikkor 80-400 mm haben mir dann den Rest gegeben.
Jetzt zur Jahrtausendwende noch ein Objektiv auf den Markt zu bringen, an dem die eigenen Autofokuskonverter nicht arbeiten, mit einem Stabilisator, den man bei Stativbenutzung abschalten muß (obwohl Canon schon fast seit 2 Jahren Stabilisatoren der 2. Generation liefert, die auch vom Stativ aus arbeiten), und das so konstruiert ist, daß man mit Nikon MF-Konvertern oder Nikon Zwischenringen auf alle modernen Funktionen wie Mehrfeldmessung verzichten muß, weil die alle dann nicht mehr arbeiten, das war einfach zu viel für mich.
Denn von da ab glaubte ich nicht mehr, das bei Nikon in Tokio im Management überhaupt noch einer sitzt und die Produktentscheidungen trifft, der auch nur einen Hauch Ahnung von Fotografie hat oder weiß, was Fotografen brauchen.
 Wobei man Nikon in Düsseldorf kaum einen Vorwurf machen kann. Die müssen halt mit den Sachen leben, die sie von der Mutter in Japan geliefert bekommen und versuchen, so gut es geht damit am Markt zu bestehen.
Nikon hat acht Jahre gebraucht, um nach Minoltas 4.0/600 mm AF-Objektiv selber ein 600er mit AF auf den Markt zu bringen.
Es ist eigentlich unfaßbar: aber bis heute, wo es schon über 12 Jahre AF gibt, hat Nikon noch keinen AF-Konverter herausgebracht für seine Objektive mit Zahnrad-AF wie ihn das neue 80-400 mm ja auch hat, und auch noch keine AF-Zwischenringe für beide AF-Systeme.
 Lassen Sie mich raten: Stabilisatoren der zweiten Generation wird es bei Nikon vielleicht in 2-4 Jahren geben.
Eine Nachfolgerin der F-100 mit einer Spiegelvorauslösung vielleicht auch in 2-4 Jahren.
Ein Nachfolgerin der F5 mit abnehmbaren Motor wie bei der EOS-1 V (warum soll ich bei einem Tagesausflug im die Berge des Bayerischen Waldes um Pilze zu fotografieren den Motor mitschleppen? Ich fotografiere nur sehr selten Pilze mit 8 Bildern in der Sekunde), mit einem hellen Sucherbild und einer modernen Spiegelvorauslösung wird es vielleicht überhaupt nicht mehr geben, wegen digital.
 Canon bringt jetzt im Sommer 2001 das erste Teleobjektiv der neuen Generation mit neuen Linsen, durch die Teleobjektive in Zukunft 30 % kürzer und 30 % leichter werden.
Das erste ist ein 4.0/400 mm, und die 300er, 500er und 600er Brennweiten werden sicher in 1-2 Jahren folgen.
Ein 4.5/200-600 mm in der neuen Technik soll auch kommen.
Bei Nikon werden wir auf diese Objektive sicher 6-8 Jahre warten müssen.
Nikon scheint sich von Leica das Buch 'Die Entdeckung der Langsamkeit' ausgeliehen zu haben. Siehe meinen Bericht 'Nostalgie' im Werkstattbuch.
Recht haben Sie mit dem Schwachpunkt Makrozoom bei Canon. Ich selber nehme als Notlösung gerne das 4.o/70-200 mm mit Stativschelle und einer Canon Vorsatzlinse 500 D. Das geht, ist aber nicht ideal. Für schwere Fälle im Nahbereich nehme ich dann das 3.5/180 mm Makro von Canon, das geht bis 1:1.
Ideal wäres es, wenn man bei Canon die Naheinstellgrenze von 1.2 Meter beim 4.o/70-200 mm auf 40 cm reduzierte, dann wäre es ein fantastisches Allroundobjektiv, wie das Nikon 4.5/5.6/70-180 mm.

Im Januar-Februar-März 2001 plane ich eine größere Fotoreise mit Landschaftsaufnahmen im winterlichen Yellowstone, mit Hitze und Sanddünen im Tal des Todes bei Las Vegas, mit großen winterlichen Vogelschwärmen im Bosco-del- Apache-Reservat in New Mexiko, mit Alligatoren und Krokodilen im Everglades und 50 Millionen Monarchschmetterlingen in Mexiko. Also ein Rundumeinsatz von allen Brennweiten auf alle Arten von Naturmotiven.
Im Sommer 2001 werde ich dann mehr sagen können zu den optischen und mechanischen Qualitäten der verschiedenen Canon-Objektive, und zu Stabilisatoren und der Spiegelvorauslösung.
Sind Sie damit einverstanden, wenn ich diesen Briefwechsel auf meiner Homepage veröffentliche? Es kommen im Augenblick jeden Tag so 1-2 Anfragen, warum ich mein Kamerasystem ausgewechselt habe, und meine Zeit reicht leider nicht aus, jede Anfrage ausführlich zu beantworten.
Einige weiter Details zum Systemwechsel finden Sie übrigends auch noch beim 'Foto des Monats, September 2000, Blumenspinne', ganz am Ende.
 
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Fritz Pölking

Hier noch eine kleine Testdemonstration:

Links 'normal' fotografiert, rechts mit Stabilisator.
Technische Daten: Canon EOS-1 V, 4.0/500 mm mit 1.4x AF-Konverter,
Hochformat, Kabelauslöser, Stativ, beide mit 1/15 sek. Belichtungszeit.

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