20. Oktober 2006


Der Bilderjäger

Naturfotograf Fritz Pölking wohnt in Greven und ist in der Welt zu Hause

von Elmar Ries

Er hat sie schon alle vor der Linse gehabt: Den majestätischen Seeadler und den flügelflinken Kolibri, den mächtigen Löwen mit zebrabluttriefendem Maul und das in weichen Flausch gekleidete Pinguin-Junge, das sich im arktiskalten Eismeer an seine Eltern kuschelt. Sein liebstes Tier jedoch, „das ist der Leopard".

Der als einsamer Jäger durch sein Revier streift, immer wachsam, immer auf der Hut, immer bereit für den Augenblick. So wie er, Fritz Pölking, der große Naturfotograf.

Seit 55 Jahren streift der 70­jährige Grevener nun schon mit seiner Kamera durch die Welt. Sein Haar ist mit den Jahren schlohweiß geworden. In seinen Augen aber blitzt es noch immer, wenn er von seinen Reisen erzählt; denen, die er gemacht hat und denen, die er noch vorhat.

Fritz Pölking ist ein Besessener, ist Jäger und Sammler zugleich, ist einer, der nie Urlaub macht, weil „mein ganzes Leben Urlaub ist". Immer hat er Tiere in ihrer Lebenswelt fotografiert - das hat ihm einen Stammplatz im Olymp der Naturfotografen eingebracht. Kaum jemand kennt ihn, aber jeder kennt seine Bilder. Weil sie Postkarten zieren und Fotokalender, Bildbände und Poster.

Pölking ist populär. Was denn das Geheimnis seines Erfolges ist? Da lacht es herzlich aus dem weißen Vollbart. Über die Frage und den Fragenden. Weil es das Geheimnis seines Erfolges ist, kein Geheimnis zu haben.

Da sitzt der Meister auf seinem bequemen Sofa und erzählt von seinem nächsten Projekt. Afrika, Tansania, die Serengeti. Im Februar geht's los. „Das ist die Zeit; in der eine halbe Million Gnus ihre Jungen gebären", sagt er, und wieder funkeln seine Augen. Darum werden auch Löwen da sein und Hyänen und Leoparden. Zwischen Geburt und Tod liegt manchmal nur ein Augenblick.

Pölking kann sich noch genau an sein erstes Motiv erinnern. „1951 war das, eine Amsel im Gartenhäuschen meiner Eltern." Es folgten zehn Jahre, in denen er nichts anderes fotografierte als Vögel. „Erst danach habe ich entdeckt, dass es auch Säugetiere und Landschaften gibt."

Warum er sich auf Tiere spezialisiert hat, weiß er nicht mehr. „Irgendwann hat es einfach klick gemacht." Indem sich sein inhaltlicher Horizont erweiterte, weitete sich auch sein geografischer. „Seitdem bin ich in der Welt zu Hause", sagt er. Er ist in der Antarktis gewesen und in China; in Amerika und Afrika, in der Mongolei und in Japan. „Nur in Australien, da war ich noch nicht" - weil der Flug 22 Stunden dauert und ihm das einfach zu lange dauert.

Nie hat der Grevener seine Zeit mit grauer Theorie vertrödelt. 'Ihm geht es darum, mit seinen Fotos dem besonderen Augenblick Ewigkeit zu verleihen. Ein Bild ist gut, wenn, Lektion eins: das Objekt, interessant ist, oder, Lektion zwei: das Objekt interessant fotografiert worden ist. ' Für alles aber gilt, Lektion drei: Das Foto muss die Emotionen des Betrachters wecken.

Und Kunst, sagt der Künstler nebenbei, Kunst sei das Fotografieren schon mal gar nicht. „Das ist Handwerk, mindestens zu 95 Prozent." Auf den restlichen fünf Prozent gründet Pölkings Ruhm.

Seit 55 Jahren fotografiert sich der 70-Jährige also schon durch die Welt. Ob er eigentlich auch ans Aufhören denkt? Da lacht er wieder sein herzliches Lachen. Aufhören werde er im Moment seines Todes, sagt er. Das sei früh genug. Und läge es an ihm, er würde die Kamera in Afrika endgültig- zur Seite legen. Beim Arbeiten.. Mitten im Leben.

Westfälische Nachrichten, 27. September 2006





                                                                                                                Foto: Jürgen Peperhowe

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